malerei IIIMonika Sprüth Galerie, Köln, 26.4 – 16.7.1996
Kunstforum, Bd. 135, Oktober 1996-Januar 1997

Als Hampstead noch ein Dorf vor den Toren von London war, lag Constable sterbend in seiner Mansarde. Später liebte es Füssli zu erzählen, daß seine ausgestreckten Füße fast ein Blatt mit einer Mondlandschaft von Rubens berührten. Das Wörtchen „fast“ in dieser Anekdote, die Umschreibung der Art und Weise, wie Constables Füße den lunaren Boden eben nicht erreichen, könnte genauso die Differenz benennen, die zwischen Malerei und einer Meta-Malerei, die sich selbst thematisiert, liegt. Gerade die interessanteste jüngste Malerei ist ein expliziter Metakommentar über sich selbst. Malerei, peinture, scheint in den 90er Jahren einen zeittypischen Weg gegangen zu sein, ihre Anwesenheit zu erklären. Hedonistisch wird sie affirmiert. Das Außerhalb des Bildes, seine Interpretationen, Zuschreibungen und Positionierungen im Kontext von Kunstgeschichte und Betrachtungsweisen, muß jedoch von der Malerei trennbar sein und an der Stelle des BIldes immer noch etwas verbleiben, was seine Gegenwart rechtfertigt.

Unabhängig von theoretischen Zuschreibungen findet die „Auftragsmalerei“ von Caroline von Grone sicherlich ihre Qualität in dem unleugbaren Reiz, daß das jeweilige BIld auf einen Auftraggeber rückführbar ist. Der Ursprung des Bildes in der Welt ist legitimiert, die Porträtmalerei hat keine Probleme, ihre Anwesenheit zu erklären.
„Und plötzlich kommt das Licht … von der anderen Seite“ hießen die ersten beiden Malerei-Ausstellungen bei Monika Sprüth, die ganz frei dialektisch an den Schluß der Ausstellungsreihe Malerei III setzt; Was bleibt übrig an Positionen, will man nicht nur Varianten der bereits gezeigten künstlerischen Positionen bieten?
Jörg Boetnagel zeigte in seiner Ausstellung bei Monika Sprüth sieben noch junge Künstler aus Deutschland. Jung sind Künstler, die zwischen 1962 und 1970 geboren wurden. Zwischen den beiden bekanntesten von ihnen – Daniel Richter und Michel Majerus – spannt sich ein Bogen, der bei aller Heterogenität der ausgestellten Arbeiten durchgängig spannend und interessant ist, subjektiv in der Auswahl, unabhängig vom Programm der Monika Sprüth Galerie und mit viel Aufmerksamkeit gehangen.

Dirk Bell aus Braunschweig ist als Akademiestudent noch der unbekannteste von ihnen. Innerhalb der Atmosphäre der Ausstellung finden Dirk Bells Arbeiten sicher ihren Platz, aber in ihrer Heterogenität drohen die Bilder auseinanderzufallen.
Stephanie Trabusch pastose Pinselstriche besetzen das feinsinnige Feld in der Kunst. Eine Malerei über Malerei, die es aber nicht mehr nötig hat, über ihre Gründe zu reflektieren.

Stefan Hirsig aus Berlin malt ein Informel mit Anklängen an die 50er Jahre. Die Instabilität der ornamentalen, architekturalen Formen vermitteln eine leise, zurückhaltende Position, von der man gerne mehr gesehen hätte.

Tolstoj soll eine Vorliebe für die Farbe Lila gehabt haben. Monika Baer zieht Grün vor. Dabei läßt die giftgrüne Farbe das Bild – an stiefmütterlichster Stelle gehangen – oszillieren zwischen magischer Landschaftsmalerei und der Evokation infantiler Psycholandschaften. Der Autor der selbstbewußt lang geratenen Pressemitteilung schreibt treffend von einer giftig-schillernden Atmosphäre. Es wäre sicherlich gut für ihre Arbeiten gewesen, wenn nicht nur ein BIld ausgestellt worden wäre.

Die Geschichte der Malerei … läßt sich lesen als Folge einander ablösender Stile. Das qualitativ Neue unserer Zeit ist nur das in unglaublichem Ausmaße entspannte Verhältnis zur Vergangenheit, schreibt Martin Henschel im Katalog zur Ausstellung „Abenteuer Malerei“. Nur daß Malerei kein Abenteuer ist, sonder Arbeit. Das Herstellen von Bildern ist ein Problem, sagt Daniel Richter über seine abstrakten Farbexplosionen und schiebt deshalb die letztgültige Produktion immer weiter hinaus, einfach indem er ihren Aufschub darstellt. Überhaupt keine Schwierigkeit scheint Michel Majerus zu haben, wenn er ganze Installationen aus seinen Leinwänden baut. Und zwischen beiden Polen bewegt sich die Ausstellung, die eines zeigt: Heute muß das Tafelbild nicht mehr überwunden werden; anstelle dieser Anstrengung steht heute die Möglichkeit, frei zu sein für das Vergnügen, sich Malerei anzusehen, frei sein für überhaupt irgend etwas, für das Spaßversprechen.

Und so fummelt Daniel Richter an einem Patchwork der Kunstgeschichte. In seinen Bildern behindern sich Elemente, stolpern in ein unvermeidliches Ennui im Wirbel von Farben, wobei der malerische Gestus beschränkt ist. Daniel Richters Mal-Attitüde erscheint in den Augen der Verständigen eingebettet in seine Arbeit für andere Bereiche – dem Hamburger Wohlfahrtsausschuß, dem „Golden Pudel-Club“, der Vielzahl von Illustrationen in politischen und subkulturellen Kontexten. Es ist ihm sicherlich gelungen, und Michael Dreyer erwähnte dies bereits in seiner Besprechung einer Daniel Richter-Ausstellung in Berlin, nichts Neues gemacht zu haben mit diesen Bildern. Trotzdem bleibt der aktuelle Daniel-Richter-Hype unverständlich.

Michel Majerus‘ Arbeiten sind groß. Sie können sogar noch größer werden, als es das eine Beispiel in der Ausstellung vermittelt. Sie lassen sich erweitern zu Architekturen, Interieurs – Größe scheint überhaupt kein Problem zu sein – und der einzelne Strich, ganz Kenneth-Noland-mäßig, kann sich ausweiten zu einer grandiosen Wand. Die Chuzpe, mit der Majerus seine Bildwände baut, ist durchschlagend, wenn auch das Einfangen von Effekten nicht immer gelingt. Allerdings untersagt die großartige Flapsigkeit der künstlerischen Geste dem Kritikaster, speziell an einem Punkt anzusetzten und zu kritisieren. Eine solche wunderbare Gewinnung von Wahrheit bei Majerus würde bei Richter ersetzt werden durch das nörgelnde skrupulöse Imbroglio verschiedener Muster. Kompliment an Jörn Boetnagel für die nicht einfache Auswahl und den Versuch, ein aktuelles Panorama der Malerei zu zeigen.