Raum 58: Die Liebhaberei eines Rechtsanwalts
Süddeutsche Zeitung, 01.09.2008
Monatsmiete, Wasser, Strom. Was das betrifft, unterscheidet sich eine Galerie kaum von anderen Räumen. Sind die nicht bezahlt, braucht man mit dem BIlderaufhängen gar nicht erst anzufangen. Zumindest nicht in München. Bezahlt werden die üblichen Kosten entweder von der Stadt oder vom Erlös verkaufter Kunstwerke. Oder aus eigener Tasche. Tilman Mueller-Stöfen zahlt alles selbst, wie er auch sonst alles alleine regelt. Er organisiert die Ausstellungen; baut sie, wenn nötig, mit auf; kümmert sich um Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Seine Galerie „Raum 58“ ist, so könnte man sagen, ein Ein-Mann-Liebhaber-Projekt.
Raum 58: das sind 23 Quadratmeter Ausstellungsraum, ein zwölf Quadratmeter großer Hinterraum, eine kleine Küche und ein Abstellraum inklusive Toilette (www.raum58.de). Die Galerie befindet sich im Münchner Stadtteil Westend in der Kazmaierstraße 58 wischen einem Thai-Restaurant und einem Drogeriemarkt. Deswegen der Name. Bis 2003 war hier noch ein Schreibwarenladen. Für den Umbau in eine Galerie brauchte es nicht viel: eine Deckenbeleuchtung im Ausstellungsraum und eine kleine Küchennische. Im Hinterraum stehen ein Tisch mit Stühlen, eine Liege, ein Schreibtisch und ein paar Kisten. Wobei es durchaus passieren kann, dass auch Hinterraum und Küche zum Ausstellungsraum mutieren; bevorzugt der Galerist doch Künstler, die konzeptuell arbeiten, die den Raum wirklich nutzen. „Es geht mir jedenfalls nicht darum einfach die Wände voll zu hängen.“
Auf den ehemaligen Schreibwarenladen gestoßen ist er vor gut fünf Jahren. Nach zwei ersten Projekten, die er zusammen mit anderen Ausstellungsmachern in der mittlerweile geschlossenen „Galerie 16“ realisierte, suchte er nach einem Raum für eigene Projekte. Dafür fuhr er mit dem Fahrrad „durch ganz München“. Dass er sein neues Domizil schließlich im Westend fand, passte ganz gut, erschien ihm der Stadtteil doch schon immer spannender und beweglicher als so manches andere Viertel. Während es anfangs noch passieren konnte, dass sich Leute auf der Suche nach Stiften oder Schreibpapier in die Galerie verirrten, sind Zufallsgäste heute selten. Schon allein deswegen, weil sie meist nur einmal in der Woche regulär geöffnet ist. Da Tilman Mueller-Stöfen hauptberuflich als Rechtsanwalt arbeitet, ist das auch nicht anders möglich. Seit der Ausstellung „Faule Künstler“ von Johannes Albers im Februar 2008 ist sie sogar ganz geschlossen. Mit Faulheit hat das gar nichts zu tun. Vielmehr damit, dass die Galeriearbeit nicht nur Geld und Liebe benötigt, sondern auch „Zeit, Muße und gute Ideen“, so Mueller-Stöfen. Ideen habe er genug, nur mit der Zeit und Muße hapere es, zu sehr nähme ihn die Arbeit als Anwalt in Anspruch. Im Herbst oder Winter soll es aber weiter gehen.
Trotzdem bleibt der Raum nicht ungenutzt. Hinter den zugehängten Glasscheiben arbeitet die Münchner Künstlerin Stephanie Trabusch, die auch schon zwei Ausstellungen hier hatte, an neuen Bildern. Mueller-Stöfen hat ihr die Galerie für ein paar Monate überlassen, als Atelier. Somit erfüllt der Raum 58 auch in diesen Tagen seine Funkton als Kunstraum.
Jürgen Moises