Raum 58, 25.06. – 28.07.2004
Stephanie Trabusch malt Künstlerinnen. Einige – wie Camille Claudel, Frida Kahlo oder Hannah Höch – gehören schon längst in die Kunstgeschichte, andere – wie Katharina Fritsch, Elizabeth Peyton oder Cosima von Bonin – bestimmten die Kunstdebatten erst seit einigen Jahren. In jedem Fall jedoch scheint es, als hätten die Künstlerinnen Stephanie Trabusch Modell gesessen: Sehr lebendig und nah sieht man ihre Gesichter, ungefähr lebensgroß, in mehrschichtig angelegter, fein nuancierender, ja beinahe altmeisterlicher Ölmalerei. Auch die schönen, oft leuchtenden Farben mögen an die Anfänge abendländischer Porträtkunst erinnern. Doch anders als ehedem sind es kaum Statussymbole, mit denen die Porträtierten charakterisiert werden; im Mittelpunkt steht bei Trabusch vielmehr die Physiognomie, wenngleich Kleidung oder Hintergrundgestaltung ebenfalls dazu beitragen, das Temperament der jeweiligen Künstlerin in Szene zu setzen.
Grundlage der Gemälde sind Fotografien, wobei Stephanie Trabusch eigentlich nie eine bestimmte Fotografie abmalt, sondern sich aus möglichst vielen ihr zugänglichen Fotos (und Gemälden) ein Bild zusammensetzt. Zum Teil ergänzen Recherchen ihr Wissen um das Aussehen einer Person. So ist der Betrachter etwa überrascht, Käthe Kollwitz, die man von ihren Selbstbildnissen als herbe, eher männliche Figur kennt, mit blonden Haaren und blauen Augen wiederzufinden.
Indem Stephanie Trabusch auf die Individualität der Künstlerinnen großen Wert legt, ergibt das Fries, zu dem die über dreißig Porträts in der Ausstellung zusammengefügt sind, auch alles andere als das Schaubild von Künstlerinnen-Typen. Vielmehr stellt man erleichtert fest, daß bei Künstlerinnen offenbar keine Standeszeichen oder eindeutigen Erkennungsmerkmale existieren. Wo sich männliche Kollegen gerne mit ganz kurzen oder ganz langen Haaren stilisieren, entweder besonders streng oder besonders sensibel schauen und sich bevorzugt schwarz oder minimalistisch kleiden, entdeckt man bei den Künstlerinnen viele ganz eigene Stile, aber keine Grundmuster. Jede Frau – das ist eine der interessantesten Botschaften des Gemälde-Frieses – ist stark für sich allein und hat es nicht nötig, sich erst als Künstlerin zu inszenieren, um ernst genommen zu werden. Der Fries ist so ein eindrucksvolles Dokument für das noch ziemlich junge Selbstbewußtsein von Künstlerinnen.
Ein Selbstbildnis von Stephanie Trabusch fehlt innerhalb des Frieses. Und doch ist die Künstlerin in der Ausstellung präsent, nämlich in Form einer Fotocollage, bei der sie ihr Gesicht weitgehend hinter eine Affenmaske verbirgt. Der Affe gilt spätestens seit dem 18. Jahrhundert als Symbol für den Künstler, als das Tier, das gerne nach’äfft‘, also etwas nachmacht, und als das Tier, das gerne spielt. Viele Künstler, von Chardin bis Immendorff, haben sich zusammen mit einem Affen – oder diesen an ihrer Stelle – gemalt. Trabusch übernimmt dieses Symbol und bezieht es damit (erstmals) nicht mehr auf einen männlichen Künstler. So zeugt auch diese Geste davon, daß Künstlerinnen sich endlich stark genug fühlen dürfen, um sich selbstbewußt in eine lange rein männlich bestimmte Tradition einzureihen. – Nicht zuletzt ist diese Geste Stephanie Trabuschs aber auch frech: Während sie dem Betrachter die großen Damen der Kunstgeschichte näher bringt, als sie je zuvor waren, verbirgt sie sich selbst und grinst nur voller Schalk hinter ihrer Affenmaske hervor.
Wolfgang Ullrich